Geschichte

 

Berlin -- wird es zu einem Museum des Totalitarismus? 

1. Juli 2012 (über wikipedia):

Mein Lehrer Prof. Dr. Ulrich Herbert, Freiburg, fasst in einem guten Interview anschaulich zusammen, was sich in der deutschen Geschichtsforschung tut:

http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/06/06/a0131

 

 

11. Mai 2012

Bericht über Geschichte-Neigungs-Kurs 2010/12

 

Arabischer Frühling bricht mitten im Geschichtekurs an

 

Dank exzellent lesender und arbeitender Teilnehmer (danke, Antonia, für Deinen mega Einsatz) konnte dieser Kurs immer Überraschendes zum Thema machen: Da wurde plötzlich der erste Jahrestag der Tötung Osama bin Ladens zum Aufhänger für das Thema Menschenrechte, Dank an Philipp. Aber noch andere mehr oder weniger historische Ereignisse begleiteten unsere Studien in diesen zwei besonderen Jahren, siehe unten. Es begann mit Modernisierungs-Theorien, abgehandelt mit Französischer, Amerikanischer und Russischer Revolution, danke, Maximilian, für das Stalin-Plakat. Danke für Eure wirklich genialen Plakate, Sonja, Nathalie, Anke und mancher andere.

Wir stiegen in Rastatt in die Bunker der Badischen Revolution. Auch sonst viel deutsche Geschichte: ein Sonderweg, sagen die Historiker: Preußen, Weimar, Nationalsozialismus. „Ankunft im Westen“ wirklich erst um 1965 (Axel Schildt). Wir diskutierten über die Fritz-Fischer-Kontroverse 1961 (Kriegsschuld Erster Weltkrieg), über den Historiker-Streit 1986 (lässt sich der Holocaust mit den Verbrechens Stalins vergleichen)? Danke an Lucas, Marc  und Patrick (und andere), die immer mal für provokative Thesen sorgten, an Louisa, die ständig bestens schriftlich vorbereitet war. Genau während unseres Geschichtekurses erschien hierzu das bahnbrechende Werk von Timothy Snyders: Bloodlands, Europe between Hitler and Stalin. Zumindest eine Rezension dieses neuen Buches konnten wir besprechen. Mutig wie wir waren, behandelten wir das zweite Sternchen-Thema „Geteiltes Deutschland“ als Gruppenpuzzle.

Und dann kam ein Ereignis, das wohl später historisch genannt werden wird, mitten in unsere Arbeit an der deutschen Geschichte hinein: der Arabische Frühling. Das führte dazu, dass nun nach dem schriftlichen Abitur, wenn jeder sich mit einem selbst gewählten Thema beschäftigen muss, viele den Islam und seine Geschichte aussuchten bzw. Israel und den Nahost-Konflikt. (Helga, die Idee war für mich neu, am Beispiel „Jerusalem“ das Thema aufzuarbeiten!) Denn genauso, wie wir Deutsche mit unserem „Sonderweg“ im Ausland oft vorurteilsvoll über einen Kamm geschoren werden – wir aber im Kurs sahen, dass man da vielfach differenzieren kann, wenn man sich nur ein bisschen eingelesen hat –, genau so stehen wir als Fremde vielleicht heute dem Islam gegenüber: Wer kennt schon einen Muslim persönlich, hat schon mit ihm tiefere Gespräche geführt? Zuerst kommt die Gastfreundschaft, das Gespräch, das Kennenlernen, das Lesen. Vorher sollte man kein fertiges Urteil wagen.

Patrick wählte hier den Film „Alemanya – Willkommen in Deutschland“ über türkische Gastarbeiter als historisches Untersuchungsobjekt. Kevin, Du hast den China-Taiwan-Konflikt mit der Hallsteindoktrin verglichen, Jan und Manuel den deutschen Sonderweg mit dem japanischen.

Bleibt beim Lesen, beim Diskutieren. Schnappt Euch dazu ein paar Freunde, egal wo Ihr seid und was Ihr macht. Als Gorbatschow zurücktrat, sagte er Worte, die hier [etwas ergänzt] auch passen (Geschichtebuch S. 438):

„Ich möchte von ganzem Herzen all jenen danken, die in diesen Jahren mit mir für die gerechte und gute Sache eingetreten sind [Eure Bildung]. Sicherlich war eine Reihe von Fehlern vermeidbar. Vieles hätte man besser machen können. Aber ich bin überzeugt, dass unsere Völker [ehem. Schüler] in einer aufblühenden und demokratischen Gesellschaft leben werden. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ 

 

Neueste Deutsche Geschichte mit Karl Mays Leben verglichen

(Burkhard Müller in der Süddeutschen zum 100. Todestag am 30. März 2012)

Karl May, "aus der bitteren Armut des (sächsischen) Webersohns, ... aus den Niederungen des Trivialen ... erlöst und zur Ehre der literarischen Altäre erhoben, ein Werk, das Arno Schmidt begann und das nunmehr als abgeschlossen gelten darf"! 

Witzig die Idee von Müller: Karl May sei es eigentlich "ergangen" "wie der deutschen Nation zu und nach seinen Lebzeiten: 

Als armer Nachzügler in Europa fing sie an,

verdammt, nur zu träumen, was die anderen taten (1);

mit den Ellenbogen verschaffte sie sich ihren Platz in der Welt (2);

stürzte mit ihrem unverschämt ehrgeizigen Aufholprogramm ab (3);

berappelte sich aber wieder, indem sie sozusagen das Register wechselte, um als ökonomischer Gigant dort zu wirken, wo die imperialen Mittel versagt hatten" (4).

"Das ist das Zwillingsschicksal Deutschlands und seines schlechthin repräsentativen Autors."

 

Hier meine Neueste Deutsche "Kurzgeschichte" anhand dieser Charakterisierung oben:

(1) Deutsche Träumer, westlicher Macher: Die 1848er Revolution scheiterte an Kleinstaaterei und Kleingeisterei. Erst als klar war, der Krieg ist verloren, in den letzten Monaten von 1918 versuchte man noch eine Parlamentarisierung des Kaiserreiches hinzubekommen, aber zu spät! Überhaupt: Franzosen, Engländer, Amerikaner hatten schon längst ihren Parlamentarismus! Deutschland, das Land der Zuspätkommenden, der Michel-Schlafmützen, die "verspätete Nation" (Helmuth Plessner). Und die Kolonien! England beherrschte die Weltmeere, halb Afrika sprach Französisch: der Deutsche Karl May träumte davon, exotische Länder zu erleben, das taten aber in Wirklichkeit die anderen!

(2) Deutschland wird jetzt auch mächtig, mit Ellenbogen-Politik: Bismarck führte kalt berechnend seine Kriege, Wilhelm II. sorgte für Kolonien, Deutschland will mit allen Mitteln Weltmacht werden, einen Platz an der Sonne ergattern, wie die anderen westeuropäischen Nationen. 

(3) Der Absturz: Deutschland schlittert in den Ersten Weltkrieg, die "Urkatastrophe" (seminal catastrophe, Geroge F. Kennan), alles andere als unschuldig (Fritz Fischer). Der ehrenwerte Versuch eines Parlamentarismus in der Weimarer Republik wird aber von der Mehrheit der Deutschen nicht geliebt; es folgt auf den Fuß die noch viel größere Katastrophe des Holocaust und Nationalsozialismus, der nächste, noch größere Weltenbrand (im Grunde ein Dreißigjähriger Krieg 1914--1945! Eric Hobsbawm).

(4) Aufrappeln Deutschlands: Durch Wirtschaftswunder und Wiedervereinigung ist aus dem deutschen Michel noch ein brauchbares Mitglied der europäischen Familie geworden.

Christopher Schmidt (ibidem) sagt, Martin Walser las Karl May, seinen "Prärie-Schiller aus dem Erzgebirge", weil man sich beim Lesen "rettbar vorkommt", und er zitierte dabei Thomas Mann, der Schiller "ewig knabenhaft" genannt habe. Vielleicht war der deutsche Michel halt auch ein Knabe und ist es noch?

Fortsetzung: Die Deutschen -- eigentlich unterlegen und verspätet -- dank Karl May überall auf der Welt aber Helden: Karl May war Hitlers Cowby-Mentor laut dem Sohn von Thomas Mann. Im Kaiserreich noch inspirierte er die deutschen Aussteiger, die in die Südsee dampften. Und da findet Schmidt das Thema in heutigen Büchern: Christian Kracht: Imperium. Da gehen Deutsche ins Bismarck-Archipel. Ebenso: Wolfgang Herrndorf: Sand. Hippie-Kommune "in den Wüstensand der Sahara [gesetzt], die Karl May so oft als als Projektionsfläche diente." Oder: Walter Kappacher: Land der roten Steine. Karl May, der "Taufpate eines literarischen Indianerspiels", findet Fortsetzung. 

http://www.sueddeutsche.de/kultur/karl-may-zum-todestag-so-traeumt-ein-knabe-1.1321893-2

http://www.sueddeutsche.de/kultur/karl-mays-einfluss-auf-die-gegenwartsliteratur-winnetou-darf-nicht-sterben-1.1321981

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